Michael Nille, Vorsitzender des Akkordeon-Orchesters Baltmannsweiler e.V. (AOB) begrüßte das Publikum aus fern und nah zum ersten Mal seit dem 7. Dezember 2019 wieder zum Jahres-Abschluss-Konzert. Zugleich wusste er zu erinnern, dass das AOB dieses Jahr schon 3 Auftritte hatte: im 19.03. und 21.05. im Kulturzentrum noch unter Auflagen, das Kirchenkonzert am 23.07. sowie das Waldkonzert der Jugend am 10.07.
Was für ein Auftakt der Akkordeon-Jugend Baltmannsweiler (AJB) unter der Leitung von Christine Fischer-Fahs: „La Storia“ von Jacob de Haan begeisterte mit seinem choralen Auftakt, den Allegro-Teilen mit komplizierten Taktwechseln, den getragenen Zwischenteilen sowie einem furiosen Tutti-Finale. Schon nach den beiden folgenden Stücken von „Rondo Veneziano“ gab es so viel Beifall, dass Christine Fischer-Fahs wohlverdient ihre Blumen bekam. Mit viel Humor kündigte Sie daraufhin den auf dem Programm stehenden „Freilach Dance“ als 1. Zugabe an. Die technisch und rhythmisch anspruchsvolle traditionelle Klezmer Musik wusste das Publikum wiederum mit tosendem Applaus zu bedenken. Und so kam die Orchesterjugend um die „2. Zugabe“ nicht herum. Der durch Peter Alexander berühmt gewordene „Kriminal-Tango“ – inklusive Schuss – zeigte eine weitere Facette des Könnens der jungen Musikerinnen und Musiker.
Nach der Pause nahm wie gewohnt das AOB unter der bewährten Leitung von Thomas Bauer auf der Bühne Platz. Luftig-leicht in der Interpretation und durchsichtig im Spiel begann das Orchester mit dem Gershwin (1898-1937) Klassiker „Walking the Dog“ aus dem Film „Shall we Dance“ mit Fred Astaire und Ginger Rogers.
Mit dem „Huapango“ des mexikanischen Komponisten, Schlagzeugers und späteren Dirigenten des Nationalorchesters Jose Pablo Moncayo (1912-1958) wurde der Schweregrad an komplexen Strukturen für das Orchester deutlich gesteigert. Das dieses große Werk trotzdem kurzweilig und feurig beim Publikum ankam, war der Handschrift von Thomas Bauer zu verdanken. Das Orchester ging jede noch so kleine Geste an Lautstärke und Tempo aufmerksam mit.
Danach wurde es für das Publikum komplex und für manche Zuhörer auch recht sperrig. Yuri Shishakov (1925-2000) schrieb die „25 Aquarelle“ als Originalkomposition für Akkordeon-Orchester in Zwölftontechnik. Diese geht vor allem auf Arnold Schönberg zurück und verlangt, dass erst alle zwölf Töne einer Grundreihe gespielt sein müssen, ehe es weiter geht. Die so entstehenden Melodien liegen daher deutlich außerhalb unserer Hörgewohnheiten und erfordern beim Zuhörer ein großes Maß an Offenheit, Neugier und Toleranz. Das Thema, 23 Variationen und ein furioses Finale verlangten auch Thomas Bauer und dem AOB ein Höchstmaß an Konzentration ab.
Das letzte Stück des offiziellen Programms versöhnte das Publikum auf ganzer Linie. John Williams (*1932) schrieb 1992 die Filmmusik „Far and Away“ zum epischen Western irischer Auswanderer in die USA. Hier zeigte sich wieder einmal auf beeindruckende Weise, zu welchen klanglichen Überraschungen das AOB mit Akkordeons, Elektronien, Bässen, Klavier und großem Schlagwerk in der Bearbeitung der Konzert-Suite durch Thomas Bauer fähig ist. Tosender Beifall und laute Rufe nach einer Zugabe waren der Lohn für die intensive Probenarbeit.
Mit „PEACE“ von Ian Watson, britischer Komponist und Dirigent des „London Accordion Orchestra“, stellte Thomas Bauer die Zugabe als aktuellen Bezug zur Situation in Europa vor.
Anschließend holte Michael Nille die Ehrungen für Christine Fischer-Fahs sowie Thomas Bauer für 35 Jahre musikalische Tätigkeit beim Akkordeon-Orchester Baltmannsweiler e.V. nach. Minutenlanger Beifall von Orchester und Publikum zollte beiden Dirigenten die wohlverdiente Anerkennung.
Mit der „New York Overture“ von Kees Vlak (1938-2014) brannte das AOB zum Abschluss eines vielseitigen Programms ein wahres Feuerwerk an Rhythmen und Effekten ab.
Publikum und Spieler sehnen das nächste Konzert am Samstag, den 22 April 2023, um 19 Uhr, im Kulturzentrum Baltmannsweiler, schon herbei.